Die vergangenen Jahre haben in vielen Unternehmen eine stille Neugewichtung ausgelöst. Wo früher Geschäftsreisen als selbstverständlicher Bestandteil betrieblicher Prozesse galten, wird heute genauer hingeschaut: Lohnt sich das persönliche Treffen noch – oder reicht der Videocall? Welche Reiserichtlinien passen zu ESG-Vorgaben? Und was bedeuten all diese Fragen für das Budget? Die klassische Dienstreise ist nicht verschwunden. Aber sie hat ihr Selbstverständnis eingebüßt – und genau das macht sie derzeit so interessant.
Geschäftsreisemarkt im Umbruch: Von der Pause zur Neuausrichtung
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Der Geschäftsreisemarkt in Deutschland hat sich seit dem pandemiebedingten Tief 2020 zwar erholt, liegt aber noch immer unter Vorkrisenniveau. Laut VDR-Geschäftsreiseanalyse aus dem Jahr 2024 sind Reisetätigkeit und -budget in vielen Unternehmen wieder angestiegen, jedoch unter anderen Vorzeichen. Nicht der möglichst häufige persönliche Kontakt steht im Vordergrund, sondern der gezielte Einsatz mit nachvollziehbarem Mehrwert.
In der Praxis zeigt sich das durch striktere Freigabeprozesse, neue Reiserichtlinien oder die Einführung digitaler Buchungsplattformen. Besonders stark betroffen sind Branchen mit hoher Kosten- oder Emissionssensibilität: Beratungsfirmen, Finanzdienstleister und große Industrieunternehmen verändern ihre Reisegewohnheiten nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.
Zwischen Ziel und Aufwand: Wann lohnt sich die Dienstreise?
Ob eine Geschäftsreise heute als sinnvoll gilt, hängt weniger vom Zielort als von ihrer Funktion ab. Gespräche mit Bestandskunden, die Pflege von Netzwerken oder Teamzusammenkünfte nach langen Remote-Phasen sind schwer zu ersetzen. Gleichzeitig haben viele Unternehmen gelernt, dass Routineabstimmungen oder Erstkontakte ebenso gut digital abgebildet werden können.
Ein wichtiges Kriterium ist der sogenannte „Return on Travel Investment“ – also der tatsächliche Nutzen einer Reise im Verhältnis zu Aufwand, Zeit und Ressourcen. In der Praxis lässt sich dieser Nutzen nicht immer beziffern, doch Unternehmen setzen zunehmend auf qualitative Bewertungskriterien: Wie viel trägt das Treffen zur Kundenbindung bei? Welche Verhandlungsqualität ist nur vor Ort erreichbar? Und nicht zuletzt: Wie wirkt sich die Reise auf Motivation, Vertrauen und Teamkohäsion aus?
Entscheidend für viele Organisationen ist heute auch die Frage der Planbarkeit und Abrechnung. Das Buchen von Geschäftsreisen über zentrale Plattformlösungen hilft dabei, Kosten transparent zu machen, Budgets einzuhalten und Richtlinien einzubetten – ohne dass der Aufwand für Einzelne steigt. Gerade mittelständische Unternehmen profitieren von dieser Art strukturiertem Travel Management.
Digitale Lösungen als Scharnier zwischen Anspruch und Umsetzung
Die zunehmende Komplexität der Reiserichtlinien führt in vielen Unternehmen zu einem Bedarf nach technischer Entlastung. Automatisierte Workflows, zentrale Buchungsportale, integrierte Abrechnungssysteme – all das sind Antworten auf den Spagat zwischen Kontrolle und Flexibilität.
Viele Anbieter setzen dabei auf Schnittstellen zu Buchhaltung und HR, sodass Reisekosten nicht nur korrekt, sondern auch schneller abgerechnet werden können. Auch CO₂-Messungen und Nachhaltigkeitskennzahlen werden inzwischen in manche Systeme integriert, um der Reisetätigkeit auch eine ökologische Bewertung zu geben. Das Ziel: weniger Verwaltungsaufwand, mehr Transparenz, bessere Steuerbarkeit. Doch nicht nur Controlling und Compliance profitieren von dieser Entwicklung. Auch Mitarbeitende empfinden klare Strukturen, automatische Genehmigungen und mobile Apps als Erleichterung – insbesondere, wenn Reisen nicht mehr alltäglich sind, sondern bewusst und selten stattfinden.
Geschäftsreisen als Teil der Unternehmenskultur
Was oft vergessen wird: Geschäftsreisen sind nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch ein Element sozialer Dynamik. Wer sich in realen Kontexten begegnet, verhandelt anders, versteht mehr – und baut Vertrauen auf, das digitale Kommunikation allein oft nicht schafft. In hybriden Teams oder internationalen Kontexten können persönliche Treffen die Grundlage für langfristige Zusammenarbeit bilden.
Gerade im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte sind mobilitätsfreundliche Arbeitsbedingungen zunehmend gefragt. Flexible Reiseoptionen, gute Organisation und transparente Abwicklung tragen zur Arbeitgeberattraktivität bei – und damit zur Unternehmensbindung. Die Geschäftsreise wird damit nicht abgeschafft, sondern umgedeutet: vom Alltagsritual zur strategisch eingesetzten Ressource.
Fazit: Eine neue Art, über Mobilität nachzudenken
Die klassische Unterscheidung zwischen „reisen“ und „nicht reisen“ greift heute oft zu kurz. Unternehmen, die mit begrenzten Ressourcen operieren und gleichzeitig auf persönliche Beziehungen setzen, müssen differenzierter entscheiden. Nicht jede Reise ist nötig – aber manche sind unverzichtbar.
Digitale Tools, strukturiertes Management und neue Bewertungsmaßstäbe helfen dabei, Geschäftsreisen nicht pauschal zu streichen, sondern gezielt dort zu nutzen, wo sie Wirkung entfalten. Der Dialog über ihren Wert hat gerade erst begonnen – und könnte ein Baustein für eine intelligentere Form der Mobilität werden.